Vogesen - Fins vins & fins tours d‘Alsace
Riquewihr, 08. bis 12. Mai 2013 (CB)
Die Vogesen, französisch Les Vosges, im deutschen früher auch Wasgauen oder Wasgenwald, sind nicht nur ein bedeutendes Mittelgebirge in Ostfrankreich, sondern auch die Region in Frankreich mit den meisten sterne-prämierten Restaurants. Immerhin ist dieser wunderbare Landstrich umgeben von der Pfalz, der Champagne, vom Elsass und von Franche-Comté, und somit eingebettet in eine Region, die für ihr reichhaltiges Angebot an Genüssen verschiedenster Art bekannt ist.
Die Vogesen bestechen durch ihre kulinarischen Gaumenfreuden, ihre Landschaft mit Bergen und dichten Wäldern und sind so für Gourmets, Natursuchende und Radsportler gleichermaßen einladend. Zur letzteren Spezies zählten Klaus, Manfred, Heinz-Jürgen und Christoph, allesamt Vogesen-erfahren, die in diesem Mai eine neue Auflage der Vogesen-Tour des RTC mit festem Startpunkt in Riquewihr in Angriff genommen haben.
Der Himmel über den Vogesen begrüßte uns am Anreisetag mit einem viel versprechenden RTC-blauen Firmament. Klaus hatte uns in zwei äußerst schmucke Wohnungen in Riquewihr einquartiert, von wo aus wir unsere täglichen Etappen in die umliegende Gegend starten und den Zauber der Landschaft genießen konnten. Riquewihr (zu Deutsch Reichenweiher) ist ein kleines französisches Dorf mit etwa 1000 Einwohnern, das sich schüchtern an die Weinberge schmiegt. Aufgrund seines komplett unversehrt erhaltenen, pittoresken Stadtbildes aus dem 16. Jahrhundert wird Riquewihr als eines der „plus beaux villages de France“ (schönste Dörfer Frankreichs) klassifiziert.
Aufgrund der Interessenlage und des Anspruchs der arrivierten und ambitionierten RTC-Herren-Mannschaft stand hier natürlich stressfreies und entspanntes Genussradeln auf dem Programm. Die Speise- und Weinkarten der Region lesen sich ja stets recht exquisit. Das Angebot und die Mischung der elsässischen Küche sind perfekt. Die wunderbar üppigen Weißweine aus den lokalen Anbaugebieten, meist von reifer, bernsteinfarbener Couleur, ragten mit einem langen Nachhall wunderbar weit in den Rachen und ließen uns so die Beschwerlichkeiten des Radsports schnell vergessen. Manche Weine mundeten so gut – die wollten gar nicht aus dem Glas raus! Aber nicht nur mit dem Essen, auch mit dem Wetter hatten wir in diesem Jahr enormes Glück!
Es wurde aber nicht nur geschlemmt, sondern auch geradelt: der Mittwoch, Manfred war aufgrund von beruflichen Verpflichtungen noch nicht angereist, lud die restliche Truppe mit annehmbaren 22 Grad und Sonnenschein zu einer kleiner Schnupperrunde ein. Riquewihr hinter uns lassend, folgten wir den kleinen Straßen, die sich durch das Elsass winden. Die weite Landschaft ist geprägt von dichten Wäldern, blumigen Wiesen und Weinbergen, auf den sauber aufgereiht die Weinstöcke stehen, die erst im September reif sein werden. Unsere Runde führte uns zunächst über Kaysersberg und Ammerswihr. In Niedermorschwihr konnten wir einen kurzen Blick auf eine stille Gedenkfeier zum Ende des zweiten Weltkriegs erhaschen, bevor uns unser Weg über den rauen Asphalt weiter über Orbey und den Col de Fréland nach Aubure führte. Ein klarer Bergbach rechts der Straße windet sich zwischen blumigen Wiesen durch sein Bett und begleitet uns einige Zeit auf unserem Weg. Der erste Frühlingsduft der Blumen ist so betörend, dass man die Strapazen des Aufstiegs schnell vergessen hat.
Hier und da öffnet sich der Wald und gibt den Blick frei in die Weite der Rheinebene, die zwischen dem Elsass und dem Schwarzwald liegt. Aus der Ferne betrachtet verdient der Schwarzwald wirklich seinen Namen. Kurz vor Riquewihr lud uns das touristische Treiben – und der stechende Durst - in Ribeauvillé zu einer kleinen Einkehr ein. Auf den letzten Metern durch die Weinberge stellte sich uns kurz vor der wohl verdienten Dusche als letztes Hindernis des Tages noch mal ein Knüppel in den Weg, der sich gewaschen hatte! Der sonnige Nachmittag war nach 66 km und 1366 Hm ideal für einen Ausflug per Auto nach Gueberschwihr, wo wir im Weingut Scherb einige edle Tropfen der Region kosten durften und auch sogleich einen Großeinkauf tätigten. Um Punkt 19 Uhr ist dann auch Manfred – er hatte an diesem Tag den letzten Unterrichtstag seines Lebens – im mittelalterlichen Riquewihr eingetroffen. Einem feucht-fröhlichen Ausklang des Tages stand also nichts mehr im Wege. Tagsüber noch in bunter Radlerkleidung, schwitzend und fluchend im Angesicht des nächsten Anstiegs, saßen wir nun, mit den Strapazen des Tages versöhnt, ordentlich gewandet als Connaisseurs und Degustatoren am edel gedeckten Tisch im Restaurant „Au tire bouchon“. Heinz-Jürgen und Christoph sind an diesem ersten Tag wie die jungen Hirsche die Berge hoch und konnten die Bergwertung für sich entscheiden, wurden beide aber abends mit einem kleinen Krampf belohnt. Fazit des Tages: Übermut tut selten gut.
Donnerstag: Die Truppe liegt noch in den Federn, während Christoph durch die mittelalterlichen Gassen streift und die sympathische Bäckerin aufsucht. Der morgendliche Himmel hatte sich mit einigen weiß-grauen Wolken leicht zugezogen, hielt uns aber nicht davon ab, den heutigen Vatertag mit frohem Mut in Angriff zu nehmen. Aber Manfred war mit seinen frisch rasierten Beinen und seiner Bergfahrerstatur eine ernst zu nehmende Gefahr für die heutige Bergwertung! Es ging zunächst von Riquewihr nach Ribeauvillé über die steile Abfahrt, welche wir am Vorabend in Gegenrichtung noch erklommen hatten. Ribeauvillé hinter uns lassend führte uns unser Weg am heutigen Morgen zunächst in den dunklen und vom Regen der Nacht feuchten Wald hoch zum Col de Haut Ribeauvillé auf 742 Meter.
Ein Bergbach stürzt sich mal links, mal rechts der Straße ins Tal und begleitet uns einige Zeit auf dem Weg nach oben. Während uns der Schweiß in die Augen rinnt und der Puls lustig wummert, lassen sich dennoch die Sinneseindrücke genießen. Unten im Tal haben wir uns wie schon 2007 auch diesmal in St. Marie aux Mines verfahren, konnten aber dann die weitere Fahrt nach Liepvre genießen, bevor wir wieder mit dem steilen Anstieg nach Haut Koenigsbourg zu kämpfen hatten. In einer wunderbaren Abfahrt hinunter nach Thannekirch genossen wir den Blick durch die weite Ebene. Während Manfred, Klaus und Heinz-Jürgen schon auf der Suche nach einer schmucken Taverne waren, füllte Christoph am Dorfbrunnen „Source de lynx“ noch seine Trinkflasche auf. Die Dorftaverne belohnte uns nach den Strapazen zweier Anstiege mit Salat mit Ziegenkäse, foie gras und geräucherter Entenbrust sowie mit einem Stück Heidelbeerkuchen. Die Abfahrt hinunter nach Bergheim führte uns durch verlassene, menschenleere Dörfer, wie auch an großen, gepflegten Anwesen der wohlhabenden Winzer vorbei. Weitere verschlafene Orte lagen auf unserem Weg nach Riquewihr, bevor wir noch einmal zwei kleinere Knüppel durch die Weinberge absolvieren mussten, wir unter die Dusche springen und uns über eine schöne Vatertagstour mit 71 km und 1.188 Hm freuen durften. Den Abend beschlossen wir vernünftigerweise mit einer ordentlichen Schlemmung und einem Verdauungsspaziergang. Fazit des Tages: Genussradeln pur – ein Vatertag nach unserem Geschmack!
Freitag: Was für ein herrlicher Tag für unsere Königsetappe! Die Sonne kämpft sich durch die morgendlichen Wolken und behält den ganzen Tag die Oberhand. Nach dem gemeinsamen Frühstück satteln wir die Hühner und kämpfen uns von Riquewihr über zig Dörfer bis hin nach Soultz an den Fuß des Grand Ballon. Der Große Belchen ist mit 1424 Metern Höhe der höchste Berg der Vogesen und wurde 2005 von den Profis der Tour de France unter die Räder genommen.Genau 100 Jahre zuvor war übrigens der Ballon d'Alsace der erste Berg in der Geschichte der Tour de France. In Soultz sitzen wir bei 26 Grad am Dorfbrunnen und stärken uns mit Kuchen und Cola, bevor wir drei den Grand Ballon in Angriff nehmen. Manfred war clever und hat sich die Strapazen nicht angetan, sondern ist flach durch die Rheinebene zurück Richtung Riquewihr.
Der 17.5 km lange Anstieg zum Grand Ballon führte uns zunächst hinauf zum Col Amic. Wir fahren in absoluter Stille durch einen Mischwald, in welchem sich hell- und dunkelgrüne Farbtöne abwechseln, unterbrochen von einigen Blumenwiesen, die Sonne schickte warme, blinzelnde Strahlen durch das Blätterdach. Die Einsamkeit und die Stille hier sind ohrenbetäubend. Der Wald duftet abwechselnd nach frisch geschlagenem Tannenholz und dann wieder nach Wildblumen.
Auf den letzten 5 km begleiten uns auf der Passstraße lautstarke Mopeds und schmucke Cabrios mit betagten und betuchten Herren und jungen Hüpfern. Saßen wir unten in Soultz bei 26 Grad am Dorfbrunnen, wurden wir hier oben von einem großen Schneefeld und 6 Grad begrüßt. War die Natur auf der Ostseite der Vogesen nach dem langen Winter förmlich explodiert, regierte hier noch der Winter. Kein Grün, keine Blüte, der Atem kondensiert. Aber die Frisur hält und so stürzen wir uns mit Ärmlingen und Windjacke runter ins Tal. Je tiefer wir kommen, desto wärmer wird es. Wir fahren zurück über 1000 verschlafene Dörfer, lassen uns wieder vom frischen Grün der Weinberge verzaubern. Manfred war bereits wieder in Riquewihr angekommen und begrüßte uns mit einem köstlichen Bier aus einer regionalen Schankwirtschaft, dass wir uns nach 149 km, 2388 Hm und 8 Stunden auf dem Rad auch redlich verdient hatten. Am Abend sitzen wir in einer kleinen Taverne, genießen die lokalen Köstlichkeiten und lassen uns hier, abseits der Großstädte, vom sorglosen Dorfleben berauschen. Fazit des Tages: nach dem Sport ist ein kühles Bier und dann ein kühler Pinot Noir das Größte.
Am Samstag starten wir bei kühlen 14 Grad zu einer eleganten Umrundung des Kaiserstuhls. Ein kurzer Halt an einer Gedenkstätte der Maginot-Linie erinnert an den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. In Marckolsheim überqueren wir den Vater Rhein, speisen in Balingen im Biergarten Hecht, bevor wir uns gestärkt auf den Heimweg machen. Wir radeln mit einem strammen Tempo unter regenschweren Wolken, deren Schleusen sich vor, hinter aber nie über uns öffneten. Glück muss man haben!
Es duftet am Wegesrand nach wildem Schnittlauch während Manfred uns mit seinem exzellenten Orientierungssinn wieder ins Elsass führt. Der Gegenwind und der raue Asphalt sind nervend und wir freuen uns auf unser letztes Abendessen. Wieder im Elsass angekommen, dreht ein Storch eine letzte Abendrunde über den Weinbergen und begleitet uns ein Stück. Die heutige Etappe war flach, aber mit 113 km und Gegenwind und einigermaßen kühlen Temperaturen dennoch recht unangenehm. Fazit des Tages: eine heiße Dusche nach dem Sport ist das Beste!
Kein Reinfall bei der Restaurant-Wahl, keine kapitale Panne, kein kapitaler Sturz trübten das Vergnügen. Die Unterbringung war exzellent, die Stimmung war gut (Männer unter sich!). Am Ende der Etappenfahrt standen 415 km und 4800 Hm auf der Uhr. Am Sonntag, die Autos waren gepackt, weinte der Himmel über Riquwihr. Insgesamt blicken wir auf eine sehr entspannte Genuss-Tour mit vielen neuen Erlebnissen und Eindrücken zurück, so dass einer Neuauflage im nächsten Jahr im Grunde nichts im Wege stehen sollte.
CB |